Marina ist zum Zeitpunkt der Geburt 38 Jahre alt und hat aufgrund einer Auto-Immun-Erkrankung nicht die Möglichkeit, spontan zu entbinden. Dei Krankheit beinhaltet eine Verengung der Gefäße, so auch der Bauch- und Herzschlagader. Die Erkrankung bedeutet für sie zwar keine Schmerzen, jedoch darf sie aufgrund der Tatsache, dass die Gefäße potentiell platzen könnten nicht pressen und keinen erhöhten Blutdruck bekommen. Sie wird während der gesamten Schwangerschaft engmaschig kontrolliert (1x pro Woche). Während ihrer zweiten Schwangerschaft war der Blutdruck regelmäßig sehr hoch, nämlich bei 170 mmHg, doch diese Schwangerschaft verläuft anders und es ist keine Medikamenteneinnahme nötig.
Allerdings heißt es im Februar (der errechnete Termin ist der 24.4.), dass eine Plazenta praevia marginalis vorliegt, weshalb ein viertägiger Krankenhaus-Aufenthalt aufgrund von Blutungen notwendig wird. Für den Rest der Schwangerschaft soll sie versuchen, viel zu liegen.
Die Ärzte entscheiden, dass die Kleine drei Wochen vor Termin per Kaiserschnitt entbunden werden soll, womit Marina auch einverstanden ist.
Sie beschreibt ihre Situation und Gefühlslage so: „Ich kann mich nicht beklagen, es ging mir eigentlich gut, aber ich hatte überall Wassereinlagerungen, war extrem kurzatmig, ich hatte den ganzen Tag über eine subtile Übelkeit und eine starke Schwangerschaftsakne. Ich habe mich gefühlt wie ein Donut mit ganz vielen Pickeln.“
Marina ist selbständig, ihre zwei kleinen Kinder sind aufgrund des Corona-Lockdown dauerpräsent zuhause, ihr Mann befindet sich im Homeoffice, sie hat keinen Austausch mit anderen Schwangeren, da keine Kurse und keine Kontakte erlaubt sind, sie hätte sich sehr einen direkten, persönlichen Kontakt gewünscht, aber dies war nicht möglich. Kurzum, sie ist etwas mit der Situation überfordert. Sie hat weder eine Doula noch eine Hebamme, weil sie denkt sie braucht keine. Dies bedauert sie allerdings im Nachhinein und als sie sich die Unterstützung sucht, sind alle Hebammen ausgebucht. Marina ist ahnungslos, dass sie auch eine Doula hätte um Unterstützung bitten können, aber ist restlos begeistert von dem Konzept Doula und wünscht sich, sie hätte es schon vorher kennengelernt, dann hätte sie definitiv eine gebucht. Ich hätte ihr als Doula auch bereits während der Schwangerschaft seelisch und moralisch zur Seite stehen können, wir hätten gemeinsame Gespräche führen können, ich hätte ihr Atemtechniken zeigen können, sie aufmuntern und aufbauen können, wir hätten Bellypainting machen können oder einen Gipsabdruck vom Bauch, sodass sie sich etwas mehr auf das Ungeborene in ihrem Bauch hätte fokussieren können statt nur für andere da zu sein und zu funktionieren. Ich hätte sie auch gerne mit einer schönen Massage unterstützt und tollen ätherischen Ölen, wir hätten gemeinsam ihren Geburtsplan schreiben können und so einfach Zeit und Raum einnehmen können und sie ihre Schwangerschaft ein bisschen mehr genießen und ausleben lassen können.
Ich weiß aus eigener Erfahrung wie es ist, durch eine Schwangerschaft nur so durchzurauschen und sie „vorbei“ haben zu wollen, ich bereue es sehr, dass ich meine zweite Schwangerschaft nicht ausführlicher genießen und vor allem zelebrieren konnte. Emotionale Unterstützung ist während einer Schwangerschaft ebenso wichtig wie die medizinische. Marina sagt selbst, sowohl Schwangerschaft als auch Geburt seien total technisch abgelaufen, außerdem ist sie natürlich nervös und verunsichert aufgrund der Blutungen während der Schwangerschaft und das Krankenhaus (Uniklinik) in dem sie stationär liegt ist 90 km von ihrem Zuhause entfernt. Als Doula hätte ich ihr natürlich auch per Telefon oder WhatsApp beistehen können und ihr eventuelle Ängste nehmen können.
Am Tag der Entbindung ist der Kaiserschnitt für morgens 7 Uhr terminiert, doch Marinas Sectio verschiebt sich aufgrund von zwei Notesctios und weiterer Termine auf 13 Uhr. Die ganze Zeit muss sie nüchtern am CTG-Gerät angeschlossen verbringen, ihr Mann muss auf dem Klinik-Parkplatz warten. Während dieser geraumen Zeitspanne kreist natürlich Marinas Gedankenkarussell und sie beginnt, sich Sorgen zu machen. Vor allem Sorgen darüber, dass die Frauenärzte durch die vielen OPs die vor ihrer eigentlich OP stattfinden, bereits so müde sein könnten, dass ihnen Fehler passieren könnten.
Außerdem ist sie sauer darüber, dass nicht mit ihr gesprochen wird und sie die ganze Zeit liegend am CTG verbringen muss obwohl es nie irgendwelche Auffälligkeiten bei den Herztönen gab, sie keine Wehen hatte und die Kleine stets richtig lag. Sie fragt sich: „Ist alles in Ordnung? Sieht alles gut aus? Was ist los“?
Als sie schlussendlich in den OP geschoben wird ist sie voller Sorge und hält während der gesamten OP die Luft an, sie ist immens verunsichert und möchte am liebsten die ganze Zeit dazwischenrufen und fragen, ob alles in Ordnung ist und dazu auffordern, zu checken, ob die Operateure auch wirklich alles entfernt haben und und und. Sie sagt selbst, die operierenden Ärzte hätten sie sehr wenig „mitgenommen“ in ihren Schritten. In dieser Situation hätte ich Marina sehr gut unterstützen können, sowohl als Doula, als auch als 3-fach erfahrene Kaiserschnitt-Mama als auch durch meine Erfahrung im OP-Saal des Kreißsaals während meines mehrmonatigen Praktikums im Rahmen meiner Ausbildung zur Rettungssanitäterin. Ich hätte Marina prima durch jeden einzelnen Schritt begleiten können, sie auch vorbereiten können auf den jeweils nächsten anstehenden Schritt und ich hätte mit den Ärzten für sie kommunizieren können, als Sprachrohr fungieren können. So wusste sie einfach nie, ob alles normal verläuft, wie lange es noch dauert und zum Beispiel auch nicht, dass sorgfältig Protokoll geführt wird über alle Instrumente, die während der Sectio verwendet werden (also Ein- und Zugang werden protokolliert und mehrfach nachgezählt und kontrolliert, so auch beispielsweise die Anzahl der Tupfer etc.pp). Diese Informationen hätten sie mit Sicherheit beruhigen können.
Außerdem hätte ich ihr bereits vor der OP das Angebot gemacht, sie ein wenig abzulenken und sie vielleicht auch nochmal ans Schlafen zu kriegen. Ich hätte ihr Entspannungsmusik und eine Schlafmaske angeboten, damit sie einfach noch ein bisschen abschalten und kraft tanken kann. So hätte sie die beunruhigende Umgebung eventuell etwas für sich ausblenden können.
Außerdem ist sie nach der Geburt noch für über eine Stunde im OP-Saal, da sie so viel Verwachsungen hat, es dauert also alles sehr lange und ihr Mann ist nicht mehr bei ihr.
Als sie dann endlich aus dem Aufwachraum im Kreißsaal ankommt, wird ihr ihr Kind gewaschen, gewickelt und angezogen übergeben und sie dürfen sich endlich besser kennenlernen – nach dem kurzen Bonding im OP.
Was Marina allerdings hier verunsichert ist die Tatsache, dass sie sich die ganze Zeit über fragt wo ihr Mann ist. Sie erfährt erst abends als eine Hebamme vorbeikommt um nach dem rechten zu schauen, dass ihr Mann coronabedingt nach Hause geschickt wurde.
Als sie mir das alles schildert bin ich doch sehr überrascht, um nicht zu sagen schockiert. Wäre ich als Geburtsbegleiterin an ihrer Seite gewesen, so hätte einfach so Vieles anders und vor allem ruhiger und entspannter laufen können. Dabei wäre es doch so einfach gewesen, die Mutter an den entsprechenden Stellen mit in den Prozess einzubeziehen und klar mit ihr zu kommunizieren. Wäre ich als Doula dabei gewesen, hätte ich die Kommunikation mit den Ärzten und dem Pflegepersonal übernehmen können, für Marina Fragen stellen können, Nachfragen bezüglich des Verbleibs ihres Mannes stellen können, ich hätte ihr das Baby auch mal abnehmen können, denn sie kann sich ja nach der OP nicht wirklich bewegen, ihr beim Anlegen helfen können, Fotos schießen können, ihr was zu trinken/essen besorgen können, vielleicht das Fenster öffnen oder schließen können. Sie hätte sich besser ausruhen können und eine schönere Golden Hour mit dem Kind genießen können. Hätte ich sie von Anfang an begleitet, hätte ich sie auch darüber aufgeklärt, dass sie in den Geburtsplan mit aufnehmen kann, dass die Nabelschnur auspulisiert werden lassen soll und dass drauf verzichtet werden könnte, das Baby schon gebadet und angezogen zu übergeben.
Marina sagt heute, sie hätte sich insgesamt mehr Emotionalität, Offenheit und Natürlichkeit bei der Geburt gewünscht und all das hätte sie mit meiner Hilfe und Vorbereitung denke ich ganz gut realisieren können. Sie sagt das auch selbst, dass es ihr mit einer professionellen Begleitung besser gegangen wäre und sie auch bereit gewesen wäre, für den Tag der Begleitung 500-800 Euro zu bezahlen.
Darüberhinaus wusste sie gar nicht, dass eine Doula auch vor und nach der Geburt und im Wochenbett unterstützen kann. Sie sagt, sie sei froh gewesen, dass das Anlegen direkt funktioniert habe, aber dass ihr niemand dabei geholfen habe im Krankenhaus und sie sich ganz auf ihre Erfahrung aus den vorhergehenden Stillzeiten verlassen musste. Dabei ist es aber so, dass man einfach vieles vergisst, auch wenn man schon Dreifach-Mama ist, eine Beratung hätte sie toll gefunden und sie wusste bis zu unserem Gespräch gar nicht, dass man das Stillen bereits in der Schwangerschaft gut vorbereiten kann.
All diese Leistungen hätte sie liebend gerne in Anspruch genommen, für’s bessere Bauchgefühl, mehr Sicherheit auch beim Tragen des Babys im Tuch. Sie hätte sich eine Doula gewünscht, die ihr Vertrauen in sich und den eigenen Körper unterstützt und ihr zeigt, dass sie alles hat was es braucht und alles schaffen kann. Sie möchte allen Mamas da draußen sagen, dass eine Investition in eine Doula viel sinnvoller ist, als den Ferrari unter den Kinderwagen anzuschaffen für mehrere Tausend Euro und dass sich das einfach jede Mami wert sein sollte.
Und das nehme ich gerne als Abschlusswort, denn damit spricht sie mir aus der Seele.
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