The day that …Vincent was born
Heute erzähle ich euch von dem Tag, an dem mein Sohn Vincent geboren wurde.
Vincent sollte nach zwei Kaiserschnitten eigentlich durch eine spontane Geburt zur Welt kommen. Aber wie war das noch? Leben ist das, was passiert, während wir Pläne schmieden…
Es gibt eine ellenlange Vorgeschichte zu diesem besonderen Tag, aber das ist eine andere Geschichte. Nur so viel: ich hatte fest eine VBA2C (Spontangeburt nach zwei Kaiserschnitten) geplant und die ganze Schwangerschaft über dafür geprobt und organisiert:-)
Der ET kam und ging und es tat sich nichts – oder nicht viel. Ich hatte zwar tageweise immer mal wieder regelmäßige Wehen, aber das verging auch wieder, je näher ich an den ET herankam. Zwischendurch verließ mich auch der Mut, eine spontane Geburt zu versuchen, aber diesen fand ich auch wieder. Je mehr Zeit verging, desto trotziger wurde ich und wollte es dann doch auf jeden Fall versuchen und mich aber auch auf keinen Fall einleiten lassen. Gott sei Dank hatte ich eine Klinik gefunden, die meinem Versuch zustimmte und die auch erst bei ET+13/14 eingeleitet hätten.
Leider war die Geburtsklinik 200 km entfernt und es war irgendwie verrückt, aber ich hatte das so geplant, hinzufahren wenn es losgeht und mich bewusst gegen das Warten in einer nahegelegenen Ferienwohnung entschieden, denn ich wollte nicht ohne meine Familie sein und ich wollte es gerne einmal so richtig erfahren: Blasensprung und dann von meinem Mann in die Klinik gefahren werden – das war mein Wunsch. Wie gesagt, es tat sich kaum etwas. Ich „übertrug“. Die stationäre Aufnahme war für ET +12, also den Mittwoch geplant. Montags bekam ich eine starke Mandelentzündung und war ziemlich genervt. Am Dienstag war alles – also wirklich alles – fertig gepackt und für die Abholung der Geschwisterkinder vorbereitet. Am Dienstagabend haben wir noch ein bisschen Fernsehen geschaut, ab 21:00 Uhr gab es immer wieder Übungswehen wie auch die Tage zuvor. Um 21:15 Uhr bin ich dann ins Bett gegangen und habe gemerkt, dass die Abstände kleiner werden und habe noch Scherze gemacht à la „Jetzt braucht das Baby auch nicht mehr kommen, morgen früh um acht Uhr geht es los in die Klinik!“ Um 22:00 Uhr, als ich mich gerade zum Schlafen umgedreht habe, platzt meine Fruchtblase im Bett. Es gab einen lauten Knall und mich befiel eine kurze Panik. Was mach ich jetzt? Mein Mann reagierte recht gelassen und meinte: „Na wir machen jetzt das was wir schon tausend Mal durchgesprochen haben. Ich rufe deine Eltern an, die kommen vorbei und dann fahren wir los. Ich bin dann ab ins Bad um zu duschen und es setzten direkt heftige Wehen in sehr kurzen Abständen ein, sodass das Duschen schon kaum mehr ging. Zwischen zwei Telefonaten mit der Hebamme (die ich schon nicht mehr persönlich führen konnte) erteile ich letzte Anweisungen, was noch zu packen ist. Ich bin froh, dass ich meinem Mann noch zurufe, er solle eine verschließbare Schüssel mitnehmen – dieser Geistesblitz rettet uns auf der Autobahn zweimal das Leben :-)). Die Wehen sind nur im Knien auf dem Ball zu ertragen.
Ich versuche, Ruhe zu bewahren, aber die ultrakurzen Abstände verunsichern mich. Meine Hebamme versichert uns, es seien Blasensprungwehen. Die Zeit bis meine Eltern kommen erscheint wie Tage, dabei ist es bloß eine Stunde. Ich bin so froh, als sie da sind, aber die Wehenpausen werden nicht länger. Mein monatelanges Training mit Hypnobirthing funktioniert nicht, ich komme einfach nicht in eine entspannte Atmung rein. Im Auto dann nach einer Stunde Fahrt und zweimaligem Erbrechen werden die Abstände etwas größer und ich kann mich mit meiner Meditationsmusik endlich auf meine Atmung konzentrieren. Ich habe fast die gesamte Fahrtzeit die Augen geschlossen und mein Mantra lautet: 2 Stunden, dann bist du am Ziel, dort wird dir geholfen – egal wie. Ankunft in der Klinik um 1:10 Uhr, aus einem mir unerklärlichen Grund kann ich nicht aussteigen und komme auch nicht in den Rollstuhl, warum nicht? Meine Beine gehören mir nicht mehr. Warum werden die Abstände nicht größer? „Können Sie nicht mehr laufen?“, werde ich gefragt? von der uns empfangenden Hebamme. Ständig läuft noch Fruchtwasser aus mir raus. Rein in den Kreissaal – ich werfe alles von mir (tolle, gemütlich kleine abgedunkelte Höhlenatmosphäre). Sie wollen natürlich erstmal den Status quo ermitteln: CTG schreiben, wie ich es hasse. Und es gestaltet sich schwierig, Herztöne fehlen, nochmal 10 Minuten länger. Ich bin wieder nicht Herr über meine Atmung, weil ich mit den Wehen nicht umgehen kann – erst recht nicht im Liegen. Es hört nicht auf. Muttermundkontrolle nahezu unmöglich, Resultat niederschmetternd: eine Fingerkuppe durchlässig, Kopf nicht im Becken, er muss gesucht werden. Ob ich in die Wanne möchte? Ja, sehr gerne und das
Buscopan-Zäpfchen nehme ich auch.
In der Zwischenzeit hat die Hebamme nämlich in der Akte meine Geburtswünsche gefunden und weiß, was ich mir vorgestellt habe und was nicht. Dann geht alles ganz schnell. Ich werde gefragt, ob mir die alte Kaiserschnittnarbe wehtut, weil ich sie immerzu festhalte. Ich kann kaum mehr sprechen vor Schmerzen – schüttele und nicke mit dem Kopf. Die Hebamme sagt mir, sie würde eine Wanne einlassen, das würde aber
zwanzig Minuten dauern und ruft außerdem die Ärztin hinzu. Ich weiß, dass ich es keine zwanzig Minuten mehr aushalten kann und bin völlig entmutigt. Ich fange an zu schreien und meinen Bauch festzuhalten.
Meine Narbe. Ich fluche, ich keife, ich kann nicht mehr sprechen.
Ich sitze auf dem Ball, auf dem Boden, ich knie, ich flehe um Hilfe und fluche. Ich bekomme Hilfe. Ich höre nur wie es heißt: 20 Minuten bis die Wanne genutzt werden kann 5 Minuten bis die Ärztin kommt. 5 Minuten die – und das meine ich so – zu den längsten 5 Minuten meines Lebens werden. Irgendwie wissen alle längst, worauf das hinausläuft. Ob eine Sektion o. k. ist? Ja ja ja. Bitte sofort. Vorher noch muss ich durchstehen: Blasenkatheter legen, Zugang, Unterschrift, ins Bett, ausziehen, auf die Schleuse, ins OP Bett. Zugang erneut legen, Wehenhemmer helfen nicht. Diskussion wegen meinem Wunsch nach Vollnarkose. Bis auf den Anästhesisten sind aber alle lieb. „Nicht wehren gegen das Zittern,“ raten sie mir. Ich werde desinfiziert und frage mich, ob sie das mit einem Edelstahlschwamm machen mit dem man auch Töpfe reinigt. Sie spritzen die Narkose erst, wenn sie damit fertig sind. Ich habe Angst, dass sie schon schneiden bevor die Narkose wirkt. „Atmen Sie zu Ihrem Baby, das ist auch aufgeregt“. Ich bekomme Sauerstoff und dann endlich werde ich endlich friedlich. Ich darf gehen.
Als ich wieder wach werde bin ich erstaunt. Erstaunt darüber, dass ich noch da bin. Und dass mein kleiner großer Vincent mit 4.550g und 57 cm auf mir liegt. Ich hatte eine großflächige Uterusruptur und er wäre mit einem Kopfumfang von 39 cm auch niemals durch mein Becken gerutscht, meint die Hebamme. Heute weiß ich, dass er durch jede Wehe gegen eine stark verwachsene Narbenplatte prallte, was dann die Ruptur verursacht hat. Aber es geht uns gut und wir sind alle happy. Aber normal können wir nicht:-)
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